Dienstag, 7. Mai 2013

Der große Roman zur Krise erscheint am 15. Mai 2013



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Dimosia Ikonomiki Ypiresia (DOY)


»Der eigentliche Steuertrick bestand nun darin, sich auf die Untätigkeit und Oberflächlichkeit des griechischen Steuersystems zu verlassen. Dazu brauchte ich lediglich meine griechische Steuernummer und einen fachkundigen und gerissenen Steuerberater vor Ort. Beides hatte ich.«


Noch passender hat das einmal mein griechischer Steuerberater und guter Freund formuliert:

»Du musst dich in die Situation eines Beamten im Finanzamt hier hereinversetzten. Die Beamten hier in der tiefsten Provinz kämpfen schon lange auf verlorenem Posten. Aus Athen haben sie keine ernsthafte Unterstützung zu erwarten und aus Brüssel auch nichts außer klugen Ratschläge. Es ist zwar im griechischen Steuerrecht alles irgendwie und auch auf EU-Standard geregelt, aber hier vor Ort fehlen einfach die Beamten, die das alles umsetzten könnten. Stattdessen versucht man  zu improvisieren und irgendwie Steuereinnahmen zu generieren.

Schätzen statt berechnen



Das führt bei uns regelmäßig dazu, dass die Steuerhöhe zu dem tatsächlichen Einkommen gar nicht passt. Vor allem bei Selbstständigen ist das der Fall. Dafür gibt es dann uns Steuerberater. Wir bewirken beim Finanzamt, dass die Einkommensverhältnisse möglichst niedrig bemessen werden. In der Praxis werden die Einkommen nämlich weder berechnet noch exakt anhand von Belegen ermittelt. Es wird vielmehr ein Betrag angenommen oder geschätzt. Wenn dieser Betrag dann halbwegs plausibel erscheint, dann wird er in deren schlecht programmiertes und fehlerdurchsetztes Computersystem eingegeben. Damit ist der Fall dann in 99,99 Prozent erledigt. Niemand schaut sich dann diesen Vorgang jemals wieder an. Hier in der Provinz fehlen nicht nur die Beamten in den Finanzämtern selbst, hier fehlen vor allem die Beamten, die die Finanzämter und deren Handeln und Entscheidungen überwachen und kontrollieren. Auch in dieser Hinsicht haben Sie aus Athen keine Unterstützung zu erwarten.
 
Wenn du es dir mit den Finanzbeamten verdirbst oder es einfach nur falsch anpackst, dann kann es aber auch passieren, dass dein Einkommen viel zu hoch geschätzt wird. Selbst, wenn die Schätzung vollkommen willkürlich ist, hast du dann keine echte Chance dich zu wehren. Die Steuern werden auf Basis dieser überhöhten Schätzung ermittelt und dir angelastet. So etwas wie Einspruch oder Widerspruch ist in der Praxis überhaupt nicht möglich. Das brauchst du gar nicht erst zu probieren. Dafür bestehen überhaupt keine Erfolgsaussichten. Ob du die Steuern dann auch tatsächlich bezahlst, ist dann natürlich noch eine ganz andere Frage. Dafür ist im Finanzamt dann wieder jemand anders zuständig und bei dem kann die Bearbeitung dann wiederum jahrelang dauern oder vollständig vergessen werden. Du musst das alles aber nicht befürchten. Du hast schließlich einen guten Steuerberater.« (Aus dem Englischen übersetzt.)

Das alles deckte sich mit meinen Erfahrungen. Wie so vieles, hängt auch das Thema Steuern in diesem Teil Griechenlands stark mit deinen persönlichen Beziehungen zusammen. Was für fast alle Lebensbereiche galt, galt auch für das Finanzamt. Mit den richtigen Beziehungen konnte man einiges erreichen. Und auch hier floss Geld und zwar nicht immer in die Staatskasse. Ich verfügte über ein kleines, aber effizientes Netzwerk von Beziehungen. Ich brauchte mir daher wirklich keinerlei Sorgen zu machen. Trotzdem blieb natürlich ein Restrisiko. Die Situation in Griechenland wurde zunehmend unkalkulierbar für mich.
Mein griechischer Steuerberater versuchte aber mir diese Bedenken zu nehmen. Was er sagte, erschien mir plausibel.
»Du musst deinen Fall einmal mit den Augen eines Finanzbeamten hier vor Ort sehen. Für den bist du ein Ausländer, der hier ordnungsgemäß gemeldet ist und regelmäßig seine Steuern zahlt. Du machst denen keine Scherereien und zahlst jährlich einen Betrag, der zumindest für diese Region überdurchschnittlich ist. Wie viel Geld du irgendwo im Ausland wirklich verdienst, interessiert die Beamten im Finanzamt eigentlich gar nicht. Die sind mit dem, was du an Steuern zahlst, sogar zufrieden. Die sehen auch, dass du alle deine steuerlichen Pflichten pünktlich erfüllst. Zumindest erkläre ich Ihnen das so. Da denken die sich: Warum sollen wir den verärgern? Was würde dann passieren, wenn wir ihm plötzlich einen sehr hohen Steuerbescheid erteilen würden? Was würde passieren, wenn wir ihn aufwändig überprüfen würden? Wahrscheinlich würdest du dann einfach das Land verlassen. Vielleicht würdest du nach Bulgarien gehen. In jedem Fall wären dann aber für das Finanzamt deine Steuerzahlungen futsch. Das will hier niemand. Da ist man lieber mit den paar tausend Euro Steuern im Jahr zufrieden und lässt dich in Frieden leben. Darauf kannst du dich ziemlich sicher verlassen. Und ich finde, das alles entbehrt auch nicht einer gewissen Logik. Wenn das nämlich alles nicht so wäre, dann wärst du nicht hier. Dann würdest du irgendwo anders deine Steuern zahlen und der griechische Staat ginge leer aus. Es gibt genug EU-Staaten, die auf Zuwanderer wie dich nur warten.
Für mich galt also bei meiner Steuerfestsetzung aus griechischer Sicht: »Besser wenig als gar nichts.«


Chaos im Finanzamt

Um zu verstehen, woran das griechische Finanzwesen krankt, muss man sich nur ein ganz normales Finanzamt anschauen. Ich kenne natürlich nicht alle Finanzämter in Griechenland. Genauer gesagt kenne ich nur das damals für mich zuständige Finanzamt. Gemeinsam mit meinem Steuerberater war ich dort öfter gewesen. Ich war schon damals kurz nach meiner Ankunft völlig erstaunt über das dort herrschende Chaos. Über die Jahre wurde es sogar noch schlimmer. Auch die zahlreichen Verwaltungsreformen schienen zumindest in unserer Region an der Finanzverwaltung spurlos vorüber gezogen zu sein. Die Zustände, die ich dort erlebte, sind überhaupt nicht fassbar. Es muss wirklich jedem völlig klar sein, dass mit derartigen Finanzämtern Steuergesetze gar nicht umgesetzt werden können.
Das für mich zuständige Finanzamt befand sich in einem hübschen zentral gelegenen Gebäude der Stadt. Schon von außen sah man diesem Gebäude an, dass lange nichts mehr investiert wurde. Betrat man das Gebäude, dann fiel einem sofort auf, dass Datenschutz und die Sicherheit der Akten hier keine Rolle spielen. Im Empfangsbereich, der während der Öffnungszeiten ständig gut gefüllt war, standen Dutzende von schwarzen Müllsäcken an den Wänden. Diese Müllsäcke waren bis zum oberen Rand gefüllt mit ungeöffneten Poststücken. Das waren hauptsächlich Briefe, aber auch dicke Umschläge in DIN A5 und DIN A4.
Um Porto zu sparen, brachte mein Steuerberater die Korrespondenz seiner Mandanten persönlich zum Finanzamt. Das heißt wie auch der Postbote und alle anderen legte er die Poststücke einfach in einen schwarzen Sack. Er ließ sich das dann auch noch von einer Beamtin, die hinter dem Tresen stand, quittieren. Ich selbst habe einmal einen dicken Umschlag mit Unterlagen in seinem Auftrag zum Finanzamt gebracht. Ich habe mir damals die Abgabe dieses Umschlages ebenfalls problemlos quittieren lassen. Später auf der Straße habe ich dann bemerkt, dass ich vergessen hatte, den Umschlag im Finanzamt liegen zu lassen. Ich hatte ihn versehentlich wieder mitgenommen. Da ich jetzt aber die Quittung hatte, dachte ich, den Umschlag jetzt eigentlich behalten zu können. Das habe ich dann auch getan. Bemerkt wurde dies auch später von niemandem.
Durch einen Tresen mit Verglasung war der Empfangsbereich von dem eigentlichen Amt getrennt. Die bezeichneten Müllsäcke mit den Poststücken befanden sich noch vor der Absperrung. Hinter der Absperrung lagen ein Korridor und die Büros der Beamten. Die meisten Angelegenheiten wurden schon vorne am Tresen erledigt. Meistens ging es nämlich darum, Menschen zu vertrösten, die auf irgendeine Zahlung warteten. Da ich kein Griechisch sprach, habe ich nicht mitbekommen können, um was es genau bei diesen Fällen ging. Für alle anderen war das natürlich kein Problem. Hier hörte jeder mit. Nur schwierige Angelegenheiten wurden in den Büros der Beamten erledigt. Dort waren die Zustände fast noch schlimmer. In fast jedem Büro standen Einkaufswagen aus dem benachbarten Supermarkt. Diese dienten hier als Postkörbe. Die Steuerunterlagen und Akten lagen in hohen Stapeln an allen Wänden. Wenn ich mit meinem Steuerberater im Finanzamt war, hat er stets meine Akte aus seinem Büro mitgebracht. Anhand dieser Akte und der entsprechenden Schriftstücke wurde mein Vorgang dann bearbeitet. Die Beamten versuchten erst gar nicht meine Unterlagen in ihrem Chaos zu finden. Die Gespräche fanden meistens in angenehmer Atmosphäre statt. Ich hatte den Eindruck, dass man sogar mit mir als Steuerzahler sehr zufrieden war. Immerhin zahlte ich meine Steuern regelmäßig und pünktlich.
In dem Finanzamt gab es mindestens zehn Büros. Außer dem Büro des Amtsleiters standen stets alle Türen auf. Ich habe nie mehr als drei oder vier Beamte in diesem Finanzamt gesehen. Die meisten Büros schienen überhaupt nur noch als Ablage genutzt zu werden. Dort stapelten sich Akten bis unter die Decke.
Es gab in diesem Finanzamt auch einige PCs. Es schien aber überhaupt nur noch einer zu funktionieren. Dabei handelte es sich um ein wirklich antikes Stück. Ich bin kein Techniker und kann nur sagen, dass ich auf deutschen Recyclinghöfen Geräte gesehen habe, die einem moderneren Eindruck machten. Mein Steuerberater berichtete mir aber, dass die vom Finanzamt verwendete Software das eigentliche Problem war, weil sie vollständig mit Fehlern durchsetzt war. Das Arbeiten mit dieser Software brachte die Beamten schier zum Wahnsinn. Es ist dann auch nur noch am Rande wichtig, zu erwähnen, dass der Rest der Gebäudetechnik ebenfalls völlig desolat wirkte. Außerdem schien es an wirklich allem zu mangeln. Die Beamten brachten sich sogar ihr eigenes Toilettenpapier mit.
Vor diesem Finanzamt hatte ich all die Jahre nichts zu befürchten. Hier würden meine Steuerbetrügereien niemals jemandem auffallen.
Selbst, wenn das deutsche Finanzamt hier um Amtshilfe gebeten hätte, wäre das für mich zu keinem Zeitpunkt ein Problem gewesen. Abgesehen davon, dass natürlich auf dem Finanzamt niemand Deutsch sprach, hätten Zeit und die entsprechenden Mittel gefehlt, sich um so eine Anfrage zu kümmern. Wahrscheinlich hätte man diese Anfrage einfach an meinen Steuerberater zur Bearbeitung weitergereicht. 
Für mich waren die griechischen Verhältnisse mein eigentliches Steuerschlupfloch. Es interessierte mich überhaupt nicht, wie hoch die Steuersätze waren und welche Steuergesetze es sonst so gab. Solange hier derartiges Chaos herrschte. Hatte ich überhaupt nichts zu befürchten. Das Finanzamt war überhaupt nicht daran interessiert, sich mit meinem Fall auseinanderzusetzen. Man war mit dem Geld, welches ich an Steuern zahlte, wahrscheinlich sogar mehr als zufrieden. Die tatsächlichen Summen, die mir zuflossen, wurden gar nicht zur Kenntnis genommen. 
Ich kann natürlich nur von diesem einen Finanzamt berichten. Es mag sein, dass es in den großen Städten und den wirtschaftlich starken Touristenzentren anders aussieht.
Seit 2010 hat sich auch bei den Finanzämtern in Griechenland einiges geändert. Ich selbst habe davon nichts mitbekommen. Diese Änderungen wurden wohl vorrangig dort umgesetzt wo man vermutete etwas holen zu können. Also in den großen Städten, in der Küstenregion und auf den Inseln. Die Gegend, in der ich mich aufhielt, schien von der griechischen Regierung bereits abgeschrieben worden zu sein. 
Es ist mir persönlich besonders wichtig, Ihnen zu schreiben, dass die Beamten vor Ort in den Finanzämtern so gut wie keine Schuld an der Misere tragen. Ich selbst habe erlebt, wie sich die Anzahl der Beamten im Finanzamt von Jahr zu Jahr verringerte. Die Wenigen, die dann noch über geblieben waren, hatten hauptsächlich damit zu tun, den Mangel zu verwalten. Die Beamten konnten einem fast schon leid tun. Mein Steuerberater berichtete mir, dass oft sogar Formulare fehlten und er gebeten wurde, einige davon zu kopieren und ins Finanzamt zu bringen. Dort gab es zwar auch einen Kopierer sowie einen Drucker, beide waren jedoch nicht einsatzfähig, da immer wieder der Toner fehlte. Außerdem war das Papier streng rationiert. Von derartigen Vorfällen könnte ich Ihnen noch ein gutes Dutzend erzählen.
So, wie es mir vor Ort berichtet wurde, war es aber auch so, dass es bei der Besetzung der Stellen im Finanzamt nicht immer mit rechten Dingen zuging. Unter der Hand sprach man sogar davon, dass die Stellen regelrecht vererbt wurden. Zumindest war es so, dass die Familie und die Herkunft eine größere Rolle spielten, wenn es darum ging, offene Stellen zu besetzen als die Qualifikation und Erfahrung. Dieses Problem schien sich aber von alleine gelöst zu haben. Offene Stellen wurden schon lange nicht mehr neu besetzt. Griechenland ist dabei, seinen öffentlichen Dienst radikal einzudampfen. Wie man aber die Finanzverwaltung stärken möchte, indem man die Anzahl der überlasteten Mitarbeiter weiter verringert, ist mir nicht klar. Bestimmt gibt es in Griechenland eine öffentliche Verwaltung, die einem Wasserkopf gleicht. In den Finanzämtern und bei der Steuerfahndung ist davon aber nichts zu spüren. Hier herrschen Mangel und Personalnotstand.








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