Fordern Sie jetzt kostenlos ein Vorabexemplar des eBooks an!
Nutzen Sie dazu einfach die Kommentarfunktion
(Wir veröfftlichen Kommentare mit Buchanforderungen nicht.)
Das führt bei uns regelmäßig dazu, dass die Steuerhöhe zu dem tatsächlichen Einkommen gar nicht passt. Vor allem bei Selbstständigen ist das der Fall. Dafür gibt es dann uns Steuerberater. Wir bewirken beim Finanzamt, dass die Einkommensverhältnisse möglichst niedrig bemessen werden. In der Praxis werden die Einkommen nämlich weder berechnet noch exakt anhand von Belegen ermittelt. Es wird vielmehr ein Betrag angenommen oder geschätzt. Wenn dieser Betrag dann halbwegs plausibel erscheint, dann wird er in deren schlecht programmiertes und fehlerdurchsetztes Computersystem eingegeben. Damit ist der Fall dann in 99,99 Prozent erledigt. Niemand schaut sich dann diesen Vorgang jemals wieder an. Hier in der Provinz fehlen nicht nur die Beamten in den Finanzämtern selbst, hier fehlen vor allem die Beamten, die die Finanzämter und deren Handeln und Entscheidungen überwachen und kontrollieren. Auch in dieser Hinsicht haben Sie aus Athen keine Unterstützung zu erwarten.
(Wir veröfftlichen Kommentare mit Buchanforderungen nicht.)
Dimosia Ikonomiki Ypiresia (DOY)
»Der
eigentliche Steuertrick bestand nun darin, sich auf die Untätigkeit und
Oberflächlichkeit des griechischen Steuersystems zu verlassen. Dazu brauchte
ich lediglich meine griechische Steuernummer und einen fachkundigen und
gerissenen Steuerberater vor Ort. Beides hatte ich.«
Noch
passender hat das einmal mein griechischer Steuerberater und guter Freund formuliert:
»Du
musst dich in die Situation eines Beamten im Finanzamt hier hereinversetzten.
Die Beamten hier in der tiefsten Provinz kämpfen schon lange auf verlorenem
Posten. Aus Athen haben sie keine ernsthafte Unterstützung zu erwarten und aus
Brüssel auch nichts außer klugen Ratschläge. Es ist zwar im griechischen
Steuerrecht alles irgendwie und auch auf EU-Standard geregelt, aber hier vor
Ort fehlen einfach die Beamten, die das alles umsetzten könnten. Stattdessen
versucht man zu improvisieren und
irgendwie Steuereinnahmen zu generieren.
Schätzen statt berechnen
Das führt bei uns regelmäßig dazu, dass die Steuerhöhe zu dem tatsächlichen Einkommen gar nicht passt. Vor allem bei Selbstständigen ist das der Fall. Dafür gibt es dann uns Steuerberater. Wir bewirken beim Finanzamt, dass die Einkommensverhältnisse möglichst niedrig bemessen werden. In der Praxis werden die Einkommen nämlich weder berechnet noch exakt anhand von Belegen ermittelt. Es wird vielmehr ein Betrag angenommen oder geschätzt. Wenn dieser Betrag dann halbwegs plausibel erscheint, dann wird er in deren schlecht programmiertes und fehlerdurchsetztes Computersystem eingegeben. Damit ist der Fall dann in 99,99 Prozent erledigt. Niemand schaut sich dann diesen Vorgang jemals wieder an. Hier in der Provinz fehlen nicht nur die Beamten in den Finanzämtern selbst, hier fehlen vor allem die Beamten, die die Finanzämter und deren Handeln und Entscheidungen überwachen und kontrollieren. Auch in dieser Hinsicht haben Sie aus Athen keine Unterstützung zu erwarten.
Wenn
du es dir mit den Finanzbeamten verdirbst oder es einfach nur falsch anpackst,
dann kann es aber auch passieren, dass dein Einkommen viel zu hoch geschätzt
wird. Selbst, wenn die Schätzung vollkommen willkürlich ist, hast du dann keine
echte Chance dich zu wehren. Die Steuern werden auf Basis dieser überhöhten
Schätzung ermittelt und dir angelastet. So etwas wie Einspruch oder Widerspruch
ist in der Praxis überhaupt nicht möglich. Das brauchst du gar nicht erst zu
probieren. Dafür bestehen überhaupt keine Erfolgsaussichten. Ob du die Steuern
dann auch tatsächlich bezahlst, ist dann natürlich noch eine ganz andere Frage.
Dafür ist im Finanzamt dann wieder jemand anders zuständig und bei dem kann die
Bearbeitung dann wiederum jahrelang dauern oder vollständig vergessen werden.
Du musst das alles aber nicht befürchten. Du hast schließlich einen guten
Steuerberater.« (Aus dem Englischen übersetzt.)
Das
alles deckte sich mit meinen Erfahrungen. Wie so vieles, hängt auch das Thema
Steuern in diesem Teil Griechenlands stark mit deinen persönlichen Beziehungen
zusammen. Was für fast alle Lebensbereiche galt, galt auch für das Finanzamt.
Mit den richtigen Beziehungen konnte man einiges erreichen. Und auch hier floss
Geld und zwar nicht immer in die Staatskasse. Ich verfügte über ein kleines,
aber effizientes Netzwerk von Beziehungen. Ich brauchte mir daher wirklich
keinerlei Sorgen zu machen. Trotzdem blieb natürlich ein Restrisiko. Die
Situation in Griechenland wurde zunehmend unkalkulierbar für mich.
Mein
griechischer Steuerberater versuchte aber mir diese Bedenken zu nehmen. Was er
sagte, erschien mir plausibel.
»Du
musst deinen Fall einmal mit den Augen eines Finanzbeamten hier vor Ort sehen.
Für den bist du ein Ausländer, der hier ordnungsgemäß gemeldet ist und
regelmäßig seine Steuern zahlt. Du machst denen keine Scherereien und zahlst
jährlich einen Betrag, der zumindest für diese Region überdurchschnittlich ist.
Wie viel Geld du irgendwo im Ausland wirklich verdienst, interessiert die
Beamten im Finanzamt eigentlich gar nicht. Die sind mit dem, was du an Steuern
zahlst, sogar zufrieden. Die sehen auch, dass du alle deine steuerlichen
Pflichten pünktlich erfüllst. Zumindest erkläre ich Ihnen das so. Da denken die
sich: Warum sollen wir den verärgern? Was würde dann passieren, wenn wir ihm
plötzlich einen sehr hohen Steuerbescheid erteilen würden? Was würde passieren,
wenn wir ihn aufwändig überprüfen würden? Wahrscheinlich würdest du dann
einfach das Land verlassen. Vielleicht würdest du nach Bulgarien gehen. In
jedem Fall wären dann aber für das Finanzamt deine Steuerzahlungen futsch. Das
will hier niemand. Da ist man lieber mit den paar tausend Euro Steuern im Jahr
zufrieden und lässt dich in Frieden leben. Darauf kannst du dich ziemlich
sicher verlassen. Und ich finde, das alles entbehrt auch nicht einer gewissen
Logik. Wenn das nämlich alles nicht so wäre, dann wärst du nicht hier. Dann
würdest du irgendwo anders deine Steuern zahlen und der griechische Staat ginge
leer aus. Es gibt genug EU-Staaten, die auf Zuwanderer wie dich nur warten.
Für
mich galt also bei meiner Steuerfestsetzung aus griechischer Sicht: »Besser
wenig als gar nichts.«
Chaos im Finanzamt
Um
zu verstehen, woran das griechische Finanzwesen krankt, muss man sich nur ein
ganz normales Finanzamt anschauen. Ich kenne natürlich nicht alle Finanzämter in
Griechenland. Genauer gesagt kenne ich nur das damals für mich zuständige
Finanzamt. Gemeinsam mit meinem Steuerberater war ich dort öfter gewesen. Ich
war schon damals kurz nach meiner Ankunft völlig erstaunt über das dort
herrschende Chaos. Über die Jahre wurde es sogar noch schlimmer. Auch die zahlreichen
Verwaltungsreformen schienen zumindest in unserer Region an der
Finanzverwaltung spurlos vorüber gezogen zu sein. Die Zustände, die ich dort
erlebte, sind überhaupt nicht fassbar. Es muss wirklich jedem völlig klar sein,
dass mit derartigen Finanzämtern Steuergesetze gar nicht umgesetzt werden
können.
Das
für mich zuständige Finanzamt befand sich in einem hübschen zentral gelegenen
Gebäude der Stadt. Schon von außen sah man diesem Gebäude an, dass lange nichts
mehr investiert wurde. Betrat man das Gebäude, dann fiel einem sofort auf, dass
Datenschutz und die Sicherheit der Akten hier keine Rolle spielen. Im
Empfangsbereich, der während der Öffnungszeiten ständig gut gefüllt war,
standen Dutzende von schwarzen Müllsäcken an den Wänden. Diese Müllsäcke waren
bis zum oberen Rand gefüllt mit ungeöffneten Poststücken. Das waren
hauptsächlich Briefe, aber auch dicke Umschläge in DIN A5 und DIN A4.
Um
Porto zu sparen, brachte mein Steuerberater die Korrespondenz seiner Mandanten
persönlich zum Finanzamt. Das heißt wie auch der Postbote und alle anderen
legte er die Poststücke einfach in einen schwarzen Sack. Er ließ sich das dann
auch noch von einer Beamtin, die hinter dem Tresen stand, quittieren. Ich
selbst habe einmal einen dicken Umschlag mit Unterlagen in seinem Auftrag zum
Finanzamt gebracht. Ich habe mir damals die Abgabe dieses Umschlages ebenfalls
problemlos quittieren lassen. Später auf der Straße habe ich dann bemerkt, dass
ich vergessen hatte, den Umschlag im Finanzamt liegen zu lassen. Ich hatte ihn
versehentlich wieder mitgenommen. Da ich jetzt aber die Quittung hatte, dachte
ich, den Umschlag jetzt eigentlich behalten zu können. Das habe ich dann auch
getan. Bemerkt wurde dies auch später von niemandem.
Durch
einen Tresen mit Verglasung war der Empfangsbereich von dem eigentlichen Amt
getrennt. Die bezeichneten Müllsäcke mit den Poststücken befanden sich noch vor
der Absperrung. Hinter der Absperrung lagen ein Korridor und die Büros der
Beamten. Die meisten Angelegenheiten wurden schon vorne am Tresen erledigt.
Meistens ging es nämlich darum, Menschen zu vertrösten, die auf irgendeine
Zahlung warteten. Da ich kein Griechisch sprach, habe ich nicht mitbekommen
können, um was es genau bei diesen Fällen ging. Für alle anderen war das
natürlich kein Problem. Hier hörte jeder mit. Nur schwierige Angelegenheiten
wurden in den Büros der Beamten erledigt. Dort waren die Zustände fast noch
schlimmer. In fast jedem Büro standen Einkaufswagen aus dem benachbarten
Supermarkt. Diese dienten hier als Postkörbe. Die Steuerunterlagen und Akten
lagen in hohen Stapeln an allen Wänden. Wenn ich mit meinem Steuerberater im
Finanzamt war, hat er stets meine Akte aus seinem Büro mitgebracht. Anhand
dieser Akte und der entsprechenden Schriftstücke wurde mein Vorgang dann
bearbeitet. Die Beamten versuchten erst gar nicht meine Unterlagen in ihrem
Chaos zu finden. Die Gespräche fanden meistens in angenehmer Atmosphäre statt.
Ich hatte den Eindruck, dass man sogar mit mir als Steuerzahler sehr zufrieden
war. Immerhin zahlte ich meine Steuern regelmäßig und pünktlich.
In
dem Finanzamt gab es mindestens zehn Büros. Außer dem Büro des Amtsleiters
standen stets alle Türen auf. Ich habe nie mehr als drei oder vier Beamte in
diesem Finanzamt gesehen. Die meisten Büros schienen überhaupt nur noch als
Ablage genutzt zu werden. Dort stapelten sich Akten bis unter die Decke.
Es
gab in diesem Finanzamt auch einige PCs. Es schien aber überhaupt nur noch
einer zu funktionieren. Dabei handelte es sich um ein wirklich antikes Stück.
Ich bin kein Techniker und kann nur sagen, dass ich auf deutschen Recyclinghöfen
Geräte gesehen habe, die einem moderneren Eindruck machten. Mein Steuerberater
berichtete mir aber, dass die vom Finanzamt verwendete Software das eigentliche
Problem war, weil sie vollständig mit Fehlern durchsetzt war. Das Arbeiten mit
dieser Software brachte die Beamten schier zum Wahnsinn. Es ist dann auch nur
noch am Rande wichtig, zu erwähnen, dass der Rest der Gebäudetechnik ebenfalls
völlig desolat wirkte. Außerdem schien es an wirklich allem zu mangeln. Die
Beamten brachten sich sogar ihr eigenes Toilettenpapier mit.
Vor
diesem Finanzamt hatte ich all die Jahre nichts zu befürchten. Hier würden
meine Steuerbetrügereien niemals jemandem auffallen.
Selbst,
wenn das deutsche Finanzamt hier um Amtshilfe gebeten hätte, wäre das für mich
zu keinem Zeitpunkt ein Problem gewesen. Abgesehen davon, dass natürlich auf
dem Finanzamt niemand Deutsch sprach, hätten Zeit und die entsprechenden Mittel
gefehlt, sich um so eine Anfrage zu kümmern. Wahrscheinlich hätte man diese
Anfrage einfach an meinen Steuerberater zur Bearbeitung weitergereicht.
Für
mich waren die griechischen Verhältnisse mein eigentliches Steuerschlupfloch.
Es interessierte mich überhaupt nicht, wie hoch die Steuersätze waren und
welche Steuergesetze es sonst so gab. Solange hier derartiges Chaos herrschte.
Hatte ich überhaupt nichts zu befürchten. Das Finanzamt war überhaupt nicht
daran interessiert, sich mit meinem Fall auseinanderzusetzen. Man war mit dem
Geld, welches ich an Steuern zahlte, wahrscheinlich sogar mehr als zufrieden.
Die tatsächlichen Summen, die mir zuflossen, wurden gar nicht zur Kenntnis
genommen.
Ich
kann natürlich nur von diesem einen Finanzamt berichten. Es mag sein, dass es
in den großen Städten und den wirtschaftlich starken Touristenzentren anders
aussieht.
Seit
2010 hat sich auch bei den Finanzämtern in Griechenland einiges geändert. Ich
selbst habe davon nichts mitbekommen. Diese Änderungen wurden wohl vorrangig
dort umgesetzt wo man vermutete etwas holen zu können. Also in den großen
Städten, in der Küstenregion und auf den Inseln. Die Gegend, in der ich mich
aufhielt, schien von der griechischen Regierung bereits abgeschrieben worden zu
sein.
Es
ist mir persönlich besonders wichtig, Ihnen zu schreiben, dass die Beamten vor
Ort in den Finanzämtern so gut wie keine Schuld an der Misere tragen. Ich
selbst habe erlebt, wie sich die Anzahl der Beamten im Finanzamt von Jahr zu
Jahr verringerte. Die Wenigen, die dann noch über geblieben waren, hatten
hauptsächlich damit zu tun, den Mangel zu verwalten. Die Beamten konnten einem
fast schon leid tun. Mein Steuerberater berichtete mir, dass oft sogar
Formulare fehlten und er gebeten wurde, einige davon zu kopieren und ins
Finanzamt zu bringen. Dort gab es zwar auch einen Kopierer sowie einen Drucker,
beide waren jedoch nicht einsatzfähig, da immer wieder der Toner fehlte. Außerdem
war das Papier streng rationiert. Von derartigen Vorfällen könnte ich Ihnen
noch ein gutes Dutzend erzählen.
So,
wie es mir vor Ort berichtet wurde, war es aber auch so, dass es bei der Besetzung
der Stellen im Finanzamt nicht immer mit rechten Dingen zuging. Unter der Hand
sprach man sogar davon, dass die Stellen regelrecht vererbt wurden. Zumindest
war es so, dass die Familie und die Herkunft eine größere Rolle spielten, wenn
es darum ging, offene Stellen zu besetzen als die Qualifikation und Erfahrung.
Dieses Problem schien sich aber von alleine gelöst zu haben. Offene Stellen
wurden schon lange nicht mehr neu besetzt. Griechenland ist dabei, seinen
öffentlichen Dienst radikal einzudampfen. Wie man aber die Finanzverwaltung
stärken möchte, indem man die Anzahl der überlasteten Mitarbeiter weiter
verringert, ist mir nicht klar. Bestimmt gibt es in Griechenland eine
öffentliche Verwaltung, die einem Wasserkopf gleicht. In den Finanzämtern und
bei der Steuerfahndung ist davon aber nichts zu spüren. Hier herrschen Mangel
und Personalnotstand.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen