Der Euro muss her! (1996-2001)
Die Geschichte von Griechenland und dem Euro war von Anfang an eine
Geschichte von Lügen und Betrügereien auf der einen Seite und institutionellen
Versagen auf der anderen Seite. Zur Erläuterung muss man in die frühen 90iger
Jahre zurückblicken. Ich stelle Ihnen kurz dar, wie die Einführung des Euros
damals von den maßgeblich Beteiligten beurteilt wurde und in welchem Maß schon
damals Verlautbarung und Realität auseinander lagen.
Am 6. September 1990 veröffentlichte der Zentralbankrat der deutschen
Bundesbank eine Stellungnahme zu einer möglichen Gemeinschaftswährung mit
folgenden Worten:
»Die teilnehmenden Volkswirtschaften werden (durch eine gemeinsame Währung)
auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden. Welche Wirkungen sich hieraus –
insbesondere auch für den Geldwert – ergeben, wird wesentlich von der
Wirtschafts- und Finanzpolitik, sowie dem Verhalten der Tarifpartner in allen
Mitgliedsstaaten beeinflusst. Sie müssen den Erfordernissen einer Wirtschafts-
und Währungsunion voll gerecht werden.«
Ähnlich beurteilte der Deutsche Bundestag die Erwartungen an die Teilnehmer
der Währungsunion, anlässlich der Ratifizierung des Maastricht-Vertrages am 18.
Dezember 1992:
»Beim Übergang zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion werden die Stabilitätskriterien eng und
strikt auszulegen sein.«, und:» Die Natur der Kriterien bedingt es, dass ihre
Erfüllung nicht nur statisch gesichert werden kann. Ihre dauerhafte Erfüllung
muss vielmehr auch aus dem Verlauf des Konvergenzprozesses glaubhaft sein.«
Auf diese Passagen bezog sich auch das Bundesverfassungsgericht in seiner
Entscheidung vom 12. Oktober 1993.
Auch die anderen deutschen und europäischen Institutionen verwiesen stets
auf die strengen Kriterien, die mit der Einführung des Euros für die
teilnehmenden Staaten verbunden wären.
Im Vertragswerk zur Währungsunion wird die herausragende Bedeutung der
Stabilitätskriterien explizit formuliert. Als Stabilitätskriterien werden unter
anderen zwingend gefordert, dass das Verhältnis zwischen dem öffentlichen
Defizit und dem Bruttoinlandsprodukt 3 Prozent nicht übersteigen darf und, dass
das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstandes zum Bruttoinlandsprodukt 60
Prozent nicht übersteigen darf.
Aus den unterschiedlichen Verlautbarung dieser Zeit ergibt sich
zweifelsfrei, dass die Brisanz der öffentlichen Verschuldung einzelner Länder
für eine Gemeinschaftswährung bekannt war. Mit den Kriterien bestand zudem eine
gute Grundlage für einen gemeinschaftlichen Währungsraum. Außerdem zeigten sich
die Beteiligten entschlossen, sich diesen Kriterien dauerhaft zu unterwerfen.
Betrachtet man diese Kriterien und den Willen der Vertragsstaaten diese
umzusetzen und einzuhalten, dann hätte man völlig zweifelsfrei schon zur Mitte
der 90iger Jahre erkennen müssen, dass eine Mitgliedschaft Griechenlands in der
Währungsunion mittelfristig überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Ein Blick auf
die griechische Wirtschaft sprach bereits eine eindeutige Sprache. Alle
Parameter waren uneinholbar weit weg von diesen Kriterien.
Griechenland litt schon damals unter seinem notorischen Schuldenproblem.
Schon in den 80iger Jahren stand der griechische Staat mehrmals dicht vor einem
Bankrott. In den 90iger Jahren haben sich die entsprechenden Kenngrößen nicht
erkennbar verbessert. So ergab sich anhand der Beitrittskriterien folgendes
Bild:
Beitrittskriterium: Grad der Verschuldung
Zielgröße: Maximal 60 Prozent Verhältnis des öffentlichen Schuldenstandes
zum Bruttoinlandsprodukt.
Für die 90iger Jahre wurden von Griechenland folgende Werte gemeldet:
(1992 98,8 Prozent); (1993 111,6 Prozent);
(1994 109,3 Prozent); (1995 110,1 Prozent);
(1996 111,6 Prozent); (1997 108,7 Prozent).
(Quelle: Europäisches Währungsinstitut Konvergenzbericht 1998)
Für das Jahr 1998 lag der Wert ebenfalls deutlich über 100 Prozent und stieg
in den folgenden Jahren, trotz Wirtschaftswachstum, sogar noch an. Heute wissen
wir, dass diese viel zu hohen Werte sogar noch durch unterschiedliche Methoden
geschönt und verfälscht wurden.
Wäre dieses Maastricht Kriterium also zur Anwendung gekommen, dann hätte
Griechenland zu keinem Zeitpunkt der Währungsunion beitreten können. Dass
dieses doch geschah hatte zwei Ursachen:
1.
Die griechische Regierung versicherte wortreich und mit zahlreichen »Fakten«
hinterlegt, dass durch die bereits umgesetzte Konsolidierungspolitik das
Gesamtdefizit mittelfristig Schritt-für-Schritt reduziert werden würde.
Daraufhin haben die europäischen Währungshüter mit Griechenland weitere
Vereinbarungen getroffen, dass das Gesamtdefizit in den folgenden Jahren
zurückzuführen sei. Das war völlig illusorisch. Um dieses zu erreichen, hätte Griechenland
nämlich dauerhaft oder zumindest für viele Jahre einen spürbaren
Haushaltsüberschuss in den Jahren ab 1998 erwirtschaften müssen.
Haushaltsüberschüsse hatte es aber in Griechenland schon seit Jahrzehnten
nicht mehr gegeben. Griechischen Fachleuten war damals schon klar, dass die
»Struktur der öffentlichen Finanzen« auch für die Zukunft hohe Defizite zur
Folge haben würde.
2.
Griechenland konnte sich damals darauf verlassen, bei weitem nicht der
einzige Beitrittskandidat zu sein, dessen Gesamtverschuldungsniveau weit über
dem 60 Prozent Kriterium lag. Mit Italien und Belgien gab es zwei Staaten, die
sogar verhältnismäßig noch höher verschuldet waren. Aus politischen Gründen
waren aber diese beiden Staaten als Mitglieder in der Euro-Währungsunion quasi
gesetzt. Immerhin waren es Gründungsmitglieder der Europäischen Gemeinschaft.
Es war der griechischen Administration daher klar, dass eine Aufnahme
möglich war, ohne dass dieses Kriterium tatsächlich erreicht wurde.
Entscheidend war schlussendlich auch nicht dieses Kriterium, sondern das 3
Prozent Kriterium der öffentlichen Neuverschuldung. Der griechischen Regierung
war klar, dass sich an dieser Hürde ein Beitritt entscheiden würde. Darum legte
die griechische Regierung hier besonderen Wert auf »gute Zahlen« und dabei
wurde wirklich mit allen Tricks gearbeitet. Die von der griechischen Regierung
gemeldeten Werte sollten unter der 3 Prozent-Messlatte liegen. Das war ein
staatspolitisches Ziel der höchsten Kategorie.
Dabei waren die Ausgangsvoraussetzungen denkbar schlecht. Bedauerlicher
Weise stand Griechenland zudem mit seinen katastrophalen Werten weit
abgeschlagen alleine auf dem letzten Platz. Selbst Italien stand ein ganzes
Stück vor Griechenland. Hier half also ein bisschen mogeln nicht weiter. Hier
musste planmäßig und systematisch gefälscht werden. Hierzu holte sich die
griechische Administration sogar duzende von »Spezialisten« aus Westeuropa und
den USA nach Athen. Ich nenne keine Namen, um mir juristischen Ärger zu
ersparen. Es ist jedoch allgemein bekannt, dass sich renommierte Banken und
Unternehmensberatungsgesellschaften an diesen Maßnahmen beteiligten. Dabei
wurde in zwei Richtungen vorgegangen:
1. Verschleierung von Staatsschulden
Auf der einen Seite betrieb die Regierung alle Maßnahmen, um durch
Bilanztricksereien die Schulden zu reduzieren. Es wurden Geschäfte getätigt,
die im Ergebnis die griechische Neuverschuldung geringer erschienen ließen. Als
probates Mittel erschienen hier »Cross Currency Swaps«. Durchgeführt wurden
diese Geschäfte, sowie ähnliche Transaktionen mit Finanzderivaten von
internationalen Banken in London und New York.
Das Ergebnis dieser Geschäfte war ein optisch geringerer Schuldenstand.
Dieser reduzierte Schuldenstand existierte jedoch tatsächlich nur auf dem
Papier. In der Realität haben diese Transaktionen sogar dazu geführt, dass sich
die Staatsverschuldung erhöht hat. Außerdem zahlte die griechische
Administration für derartige Geschäfte den beteiligten Banken Provisionen von
zirka 450.000.000 US-Dollar.
Es gab beispielsweise kurz vor der Einführung des Euro ein Projekt des
griechischen Finanzministeriums mit dem Namen »Aeolos« (griechischer Gott des
Windes). Bei diesem Projekt wurden bei einer New-Yorker Bank
Cross-Currency-Swaps im Wert von 10 Milliarden US-Dollar getätigt. Im Ergebnis
nur dieser einen Transaktion fielen Kosten in der Höhe von über einhundert Millionen
US-Dollar an und der griechische Schuldenstand reduzierte sich kurzfristig auf
dem Papier um rund eine Milliarde Dollar.
2. Fälschung von Unterlagen
Die im ersten Punkt aufgeführten Geschäfte mit Finanzderivaten waren
zweifelhaft und wirtschaftlich unklug, jedoch bewegten sie sich nicht im
Bereich der Illegalität. Da die Finanzlöcher in Griechenland aber so groß
waren, dass diese Maßnahmen nicht ausreichten, wurden sie durch weitere
Maßnahmen ergänzt, die hoch kriminell und betrügerisch waren.
So wurden beispielsweise Haushaltsposten komplett aus der Statistik
entfernt, um das Volumen des Staatshaushaltes geringer erscheinen zu lassen. Es
hätte damals gereicht, wenn die Kontrolleure in Brüssel und Frankfurt am Mai
einen Auszubildenden aus dem ersten Lehrjahr an das griechische Zahlenwerk
gesetzt hätten. Man hätte nur die Haushaltsposten auf Plausibilität überprüfen
müssen und dann sofort feststellen können, dass ganze Ausgabenbereiche gar
nicht aufgeführt wurden. Besonders löchrig waren die Angaben aus dem
Verteidigungsministerium. Hier fehlten Ausgabenposten in Milliardenhöhe. Andere
Posten wurden willkürlich reduziert.
In Zahlen sah das Ergebnis dann wie folgt aus:
Auf der Basis der von der griechischen Regierung gelieferten Daten,
übermittelte das Statistische Bundesamt der Bundesregierung folgende
Haushaltssalden für Griechenland:
1998: -3,1 Prozent
1999 -1,8 Prozent
2000 -1,1 Prozent
Für das Jahr 2001 wurde sogar ein Überschuss im griechischen Staatshaushalt
von 0,4 Prozent prognostiziert.
(Quelle: Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode Drucksache 14/8084 Antwort des Parlamentarischen
Staatssekretärs Karl Diller auf eine Anfrage des Abgeordneten Herbert
Frankenhauser)
Bei diesen Zahlen stützte sich das Statistische Bundesamt auf Angaben aus
der Herbstprognose 2001 der EU-KOM. Diese wiederrum bezog sich auf Daten der
griechischen Statistikbehörde.
Um diese Zahlen richtig einordnen zu können sollte man sich die Angaben der
griechischen Statistiker zu den Haushaltsdefiziten vor dem Beitritt in die
Euro-Währungsunion anschauen:
1985 -11,6 Prozent
1990 -15,9 Prozent
1991 -11,5 Prozent
1992 -12,8 Prozent
1993 -13,8 Prozent
1994 -10,0 Prozent
1995 -10,2 Prozent
Es ist logisch, wirtschaftlich und fiskalpolitisch überhaupt nicht
erklärbar, warum die griechischen Staatsfinanzen in nur fünf Jahren ihre
Neuverschuldung komplett beendet haben sollten. Trotz Reformanstrengungen und
Wirtschaftswachstum waren die Angaben für die Jahre ab 1997 nicht erklärbar. Um
diesen Fehler zu erkennen hätte es schon ausgereicht, Daten aus öffentlich
zugänglichen Quellen auszuwerten.
Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar und unentschuldbar, dass diese
Widersprüche damals niemandem aufgefallen sein sollten.
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